G7-Gipfel

Rede von Bundeskanzlerin Merkel beim G7-Dialogforum der Nichtregierungsorganisationen am 20. April 2015

Anfang 20.04.2015

in Berlin

Sehr geehrter Herr Bornhorst,
sehr geehrter Herr Maier,
liebe Vertreterinnen und Vertreter internationaler Nichtregierungsorganisationen,
meine Damen und Herren,

mit den G7 haben wir ein Treffen, das uns viele Chancen eröffnet, das Ihnen auch viele Möglichkeiten gibt, Ihre Anliegen vorzubringen. Deshalb pflegen wir auch den Dialog.

Ich möchte mit etwas beginnen, das nicht direkt auf der Agenda stand, aber das uns alle bewegt und das Sie als Nichtregierungsorganisationen genauso bewegt wie uns in der Politik. Sie haben heute früh durch eine Schweigeminute der Opfer im Mittelmeer bereits gedacht.

Von meiner Seite aus möchte ich deutlich machen: Wir müssen und werden alles tun, um erstens den Kampf gegen Schleuser und Schlepper aufzunehmen und fortzusetzen, die auf unmenschliche Art und Weise Menschen in Gefahr bringen und ihren Tod in Kauf nehmen. Wir werden zweitens intensiv – da brauchen wir auch Ihr Wissen – an der Überwindung der Fluchtursachen arbeiten. Und wir werden drittens – das ist in diesen Tagen das Allerwichtigste – alles tun, um zu verhindern, dass weitere Opfer im Mittelmeer, vor unserer Haustür, auf quälendste Art und Weise umkommen. Das vereinbart sich nicht mit unseren Werten. Um Glaubwürdigkeit zu haben, aber auch, um unseren Werten, die wir hier zu Hause bei uns pflegen, zu entsprechen, müssen wir unsere Anstrengungen verstärken.

Deshalb gibt es heute ein Treffen der EU-Außen- und Innenminister. Es ist nicht ausgeschlossen, dass es auch einen Europäischen Rat geben wird. Die Themen sind nicht einfach mit einem Schritt zu überwinden. Hier spielen viele, viele Dinge eine Rolle. Gerade die Instabilität Libyens ist eine schwere Barriere, um politisch überhaupt tätig werden zu können. Aber ich glaube, wir sind es insgesamt uns selbst schuldig, dass wir mehr tun und dass wir intensiver daran arbeiten.

Von den Bildern von den G7 und dem Gipfel wird oft gesagt, dass sie das Bestimmende sind. Für mich sind sie das nicht. Sondern wir haben einen lang anhaltenden Arbeitsprozess, der eben auch den Dialog mit verschiedenen Gruppen beinhaltet, auch mit den Nichtregierungsorganisationen. Ich bedanke mich, dass Sie heute alle gekommen sind.

Eine freie und lebendige Zivilgesellschaft ist ein hohes Gut. Sie sorgt dafür, dass sich unsere wertgebundene Ordnung auch stetig erneuern kann. Dies hilft uns, Herausforderungen zu meistern. Davon gibt es ja sehr, sehr viele.

Neben dem Dialog mit Ihnen, den Nichtregierungsorganisationen, habe ich bereits einen mit den Gewerkschaften geführt. Wir werden mit Wirtschaftsverbänden, mit Wissenschaftlern, mit Jugendlichen und mit Frauen diskutieren. Es wird auch noch ein extra Treffen mit Frauen nach dem G7-Gipfel im Herbst geben.

Sie kennen unsere Agenda. Sie ist umfassend. Ich kann in den wenigen Minuten nicht auf alles eingehen. Ich denke, für Sie ist vor allen Dingen wichtig, dass wir uns intensiv in die Vorbereitung der internationalen Klimakonferenz im Herbst in Paris einbringen wollen. Das Datum des G7-Gipfels ist gut gewählt, denn kurz darauf wird eine Finanzierungskonferenz in Addis Abeba stattfinden, die mit einem zweiten Thema, das uns beschäftigt, in Zusammenhang steht – nämlich mit der Nachfolgeagenda der UN-Millennium-Entwicklungsziele, die im September verabschiedet werden soll. Dabei ist die Finanzierung ein wichtiges Instrument. Darüber soll in Addis Abeba gesprochen werden. Wir können damit für den September-Gipfel der Vereinten Nationen genauso vorbereitend tätig sein, wie wir für die Klimakonferenz vorbereitend tätig sein können.

Die Post-2015-Agenda ist wichtig. Mir ist aber erstens wichtig, dass wir die Ziele bis 2015 dann nicht aus dem Auge verlieren. Denn wir wissen: Nicht alle werden umgesetzt sein. Zweitens ist mir wichtig, dass wir auf der einen Seite anspruchsvolle Nachhaltigkeitsziele für die Zukunft haben, auf der anderen Seite diese für eine breite Gruppe von Menschen auch noch verständlich sind.

Die bisherigen Millennium-Entwicklungsziele waren sicherlich nicht so umfassend angelegt, aber man konnte sie behalten und wusste, wofür man gearbeitet hat. Wir müssen jetzt diesen Spagat schaffen, eine breite Agenda zu haben, mit der trotzdem sehr greifbare Ziele verbunden sind, damit niemand sich zurücklehnen kann.

Wir werden uns im Kreis der G7 mit dem Meeresumweltschutz beschäftigen. Wir wollen die Verwendung von Antibiotika eindämmen, um die Antibiotikaresistenzen zu überwinden oder zu verringern. Wir haben mit den Gewerkschaften sehr umfassend über nachhaltige Lieferketten gesprochen. Dass wir die Rolle der Frauen nicht nur in Entwicklungsländern, sondern auch in den entwickelten Ländern stärken müssen, darüber brauchen wir hier, glaube ich, nicht lange zu sprechen. Wir haben einen weiteren Punkt: die effiziente Ressourcennutzung. All das können wir jetzt in unserer Diskussion bereden.

Mir persönlich ist im Bereich Gesundheit noch sehr wichtig, dass wir uns mit den Lehren, die wir aus der Ebola-Krise gezogen haben, auch operativ befassen. Das heißt, dass wir nicht einfach wieder zur Tagesordnung übergehen. Das bedeutet natürlich die Verbesserung des Gesundheitswesens in den betroffenen Ländern. Deutschland hat gerade durch die Reise des Gesundheitsministers und des Entwicklungsministers nach Liberia gezeigt, dass wir da Verantwortung übernehmen wollen.

Aber es geht auch darum: Wie bereitet sich die Weltgemeinschaft auf solche Katastrophen im Gesundheitsbereich insgesamt vor? Deshalb haben Ghana, Deutschland und Norwegen dem UN-Generalsekretär vorgeschlagen, ein Panel einzurichten. Ich bin in engem Gespräch mit dem Weltbankpräsidenten, der auch am Outreach teilnehmen wird. Unser Plan ist, bis zum Jahresende das Panel bei den Vereinten Nationen dazu zu bringen, uns Punkte aufzuschreiben – ich selber habe bereits einen Sechs-Punkte-Plan vorgestellt –, dann zu agieren und möglichst schnell, in den nächsten zwei Jahren, sichtbare Fortschritte zu schaffen, sei es, wenn es um Weißhelme geht, sei es, dass alle Akteure mit eingebunden sind.

Ich werde im Mai selber zur Weltgesundheitsorganisation fahren, um dort noch einmal zu unterstreichen, wie die internationalen Organisationen und die Mitgliedstaaten zusammenarbeiten müssen. Wir müssen so etwas haben wie einen Notfallplan, damit jedes Land und jede Organisation weiß: Was ist unsere Aufgabe, wenn eine solche Epidemie ausbricht? Hier haben „Ärzte ohne Grenzen“ eine wirklich sensationelle Arbeit geleistet. Das kann wirklich mit Beifall bedacht werden. Aber wir können nicht darauf vertrauen, dass das alleine immer reicht. Deshalb muss sich eine international vernetzte Welt auf solche Fälle vorbereiten.

Das will ich zum Einstieg sagen und nicht mehr Zeit vergeuden, sondern mit Ihnen diskutieren.