G7-Gipfel

Im Wortlaut: Hendricks

G7-Treffen ist Signal für Pariser Klimagipfel

Datum 18.04.2015

Vom G7-Gipfel im Sommer erhofft sich Bundesumweltministerin Hendricks ein Signal für den Klimagipfel Ende des Jahres in Paris. Im Interview spricht Hendricks über die Kosten des Klimaschutzes, dessen Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt und den Emissionshandel.

Porträt von Barbara Hendricks Hendricks: "Klimaschutz steht in der deutschen G7-Agenda ganz oben." Quelle: Thomas Trutschel/photothek.net

Das Interview im Wortlaut:

Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ): Frau Ministerin, vor der Klimakonferenz Ende des Jahres in Paris sollten bis März alle Staaten ihre Klimaziele vorlegen. Sind Sie zufrieden?

Barbara Hendricks: Noch nicht ganz. Bis jetzt haben nur 34 Länder ihre Pläne vorgelegt, darunter die 28 Länder der EU und die Vereinigten Staaten. Ich rechne aber mit weiteren Beiträgen bis zur Jahresmitte, etwa von China. Wir legen Wert darauf, dass die G7-Staaten dies erledigen, bevor sie nach Bayern zum Gipfel reisen. Da müssen sich auch Japan und Kanada noch bewegen.

FAZ: Ist das, was auf der G-7-Konferenz besprochen wird, nicht auch eine Vorbedingung dafür, dass auch die Klimakonferenz ein Erfolg wird?

Hendricks: Von der G-7-Konferenz soll ein Schwung für den Klimagipfel in Paris ausgehen. Die großen Industrienationen müssen mit anspruchsvollen nationalen Zielsetzungen Vorreiter bei der Eindämmung des Klimawandels sein. Zum anderen kann ein Signal der G-7-Staaten, dass sie zu ihren Verpflichtungen stehen und die armen Länder des Südens bei der Minderung und insbesondere bei der Anpassung an die unabwendbaren Folgen des Klimawandels finanziell unterstützen, zur Vertrauensbildung und damit zu erfolgreichen Verhandlungen in Paris beitragen.

FAZ: Die G-7-Staaten haben eine besondere Verantwortung?

Hendricks: Ja, weil sie nun mal über eine große Wirtschaftskraft in der Welt verfügen und weil sie eben Industrieländer sind, die in der Vergangenheit - natürlich wegen der Wirtschaftsweise, die wir alle hatten - den Großteil der Verschmutzung zu verantworten haben.

FAZ: Ab wann wäre denn die Klimakonferenz in Paris aus Ihrer Sicht ein Erfolg?

Hendricks: Es wäre ein Erfolg, wenn wir uns als Weltgemeinschaft erstmals rechtlich bindend darauf verständigen, dass wir die Zwei-Grad-Obergrenze einhalten - dass wir also bis zum Ende dieses Jahrhunderts keinesfalls mehr als zwei Grad Erderwärmung zulassen wollen. Davon abzuleiten ist dann natürlich die Frage, was die einzelnen Länder zu leisten haben. Die Herausforderung wird sein, dass die nationalen Beiträge in der Summe ausreichend ambitioniert sind, um den Klimawandel auf zwei Grad Celsius zu begrenzen. Zugleich müssen wir uns auf verbindliche Regeln zur Messbarkeit und Vergleichbarkeit der Maßnahmen verständigen.

FAZ: Können Sie ein Beispiel nennen, was sie konkret mit Vergleichbarkeit meinen - wird die Tonne Kohlendioxid etwa in China anders gemessen als in Europa?

Hendricks: Das wissen wir erst, wenn alle Staaten mitgeteilt haben, welche Gase sie bei der Berechnung ihrer Treibhausgasemissionen berücksichtigen. Außerdem können wir nur vergleichen, wenn wir die Emissionen auf die gleichen Basisjahre beziehen. Die Vereinigten Staaten sagen, sie wollten 26 bis 28 Prozent weniger Kohlendioxid ausstoßen im Vergleich zu 2005. Im Kyoto-Protokoll haben wir hingegen 1990 als Referenzjahr vereinbart. Auf 1990 bezogen, schrumpft das Reduktionsziel der Vereinigten Staaten auf 14 bis 16 Prozent.

FAZ: Auf was sollten die G-7-Staaten sich Ihrer Meinung nach verständigen im Juni?

Hendricks: Es ist wichtig, dass die G-7-Staaten sich klar zu einem ambitionierten Klimaschutzabkommen bekennen. Hierzu sind neben allgemeinen Bekenntnissen auch konkrete Initiativen zum Beispiel zur Klimafinanzierung erforderlich, die dann gemeinsam aktiv in die Tat umgesetzt werden müssen. Hierzu gehört auch eine intensive Zusammenarbeit mit den Schwellen- und Entwicklungsländern.

FAZ: Wie viel Geld zahlen wir eigentlich für den Klimaschutz im Ausland jährlich?

Hendricks: Deutschland ist einer der größten Geber für internationale Klimafinanzierung in Entwicklungs- und Schwellenländern, wir haben unsere öffentliche Klimafinanzierung aus Haushaltsmitteln von knapp 500 Millionen Euro im Jahr 2005 auf gut zwei Milliarden Euro im Jahr 2014 gesteigert. Diese Mittel werden im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit und in der internationalen Klimazusammenarbeit eingesetzt.

FAZ: In Deutschland wird ja auch für den Klimaschutz mit der Aussage geworben, er schaffe Arbeitsplätze. Wie viele Arbeitsplätze schafft er denn tatsächlich?

Hendricks: Es gibt belastbare Zahlen, die liegen in der Größenordnung von über 200 000 Arbeitsplätzen bis 2020. Bis heute hat die Energiewende Hendricks: per saldo schon zu einem Beschäftigungsplus von etwa 100 000 Arbeitsplätzen geführt.

FAZ: Sind die Belastungen innerhalb Deutschlands - zum Beispiel zwischen Energiewirtschaft, Industrie, Landwirtschaft und Verkehr - eigentlich gleichmäßig verteilt bei dem Vorhaben, die Klimaschutzziele einzuhalten?

Hendricks: Ja. Die Energiewirtschaft trägt mit etwa 40 Prozent zum Kohlendioxidausstoß in Deutschland bei. Wenn wir von ihr jetzt 22 Millionen zusätzliche Tonnen Kohlendioxid-Einsparungen erwarten, ist das sogar im Verhältnis zu dem, was wir insgesamt bis 2020 erreichen wollen, unterproportional. Vom Verkehr erwarten wir zusätzlich zehn Millionen Tonnen und von der Landwirtschaft sechs bis sieben Millionen Tonnen Kohlendioxid-Minderung bis 2020. Im Bereich Energieeffizienz wollen wir 25 bis 30 Millionen Tonnen Minderung erzielen.

FAZ: Was sagen Sie zu den Vorwürfen, dass Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel mit seinen Klimaschutzvorgaben die Kohlekraftwerke in Deutschland vor die Wand fährt?

Hendricks: Das halte ich für weit überzogen. Das Bundeswirtschaftsministerium hat diese Vorwürfe in einem Schreiben an die Unionsfraktion überzeugend widerlegt. Dort heißt es, dass 90 Prozent der Kohlekraftwerke von den Maßnahmen gar nicht betroffen sind. Ich kenne die Befürchtungen in den Braunkohlerevieren und den Energieunternehmen und nehme sie ernst. Aber wir haben uns als Regierung die Klimaziele bis 2020 gesetzt und müssen sie umsetzen. Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass wir weltweit auf eine kohlenstoffarme und langfristig kohlenstofffreie Wirtschaftsweise zusteuern. Da kann es nur vernünftig sein, wenn wir uns in Deutschland rechtzeitig und systematisch darauf einstellen, um den Strukturwandel zu gestalten.

FAZ: Ist da auch Hannelore Kraft, die Ministerpräsidentin des kohlereichen Nordrhein-Westfalens, auf Ihrer Seite?

Hendricks: Frau Kraft hat vollkommen zu Recht gesagt, dass wir alle Vorhaben der Energiewende in Ruhe ansehen und dafür sorgen müssen, dass es zu keinen strukturellen Brüchen kommt. Es gibt Regionen in Deutschland, die noch von der Braunkohle abhängen. Aber auch dort ist der Strukturwandel möglich. Wir müssen auf der Hut sein, dass wir die Unternehmen und auch die Gewerkschaften nicht überfordern. Aber Hannelore Kraft hat die Vorschläge von Sigmar Gabriel, eine Abgabe für alte Kohlekraftwerke einzuführen, nicht kategorisch abgelehnt. Ich selbst halte Gabriels Pläne für den Ausgangspunkt des notwendigen Strukturwandels. Eines Strukturwandels, den wir ohne Strukturbrüche bewerkstelligen müssen.

FAZ: Sind Gabriels Vorschläge auch eine Reaktion darauf, dass die Reform des europäischen Emissionshandels so lange dauert?

Hendricks: Ich bin zuversichtlich, dass wir den Emissionshandel bald wieder zu einem effektiven Klimaschutzinstrument machen, aber für unser nationales Ziel bis 2020 könnte das bereits zu spät sein. Unsere neuen Vorgaben für Kohlekraftwerke sind bewusst mit dem europäischen Emissionshandel verschränkt: Die Abgabe wird durch den Kauf von europäischen Emissionszertifikaten geleistet, die dann stillgelegt werden. Deswegen nützt es auch europaweit. Wenn wir bei uns die Emissionen einsparen, wird deshalb nicht woanders mehr verbraucht, sondern die Zertifikate werden aus dem Handel herausgenommen.

FAZ: Wie steht es um den Klimaschutz in anderen Bereichen?

Hendricks: Einer der wichtigsten Bereiche ist die Energieeffizienz und insbesondere auch der Gebäudebestand. Wir brauchen eine Gesamtstrategie für klimafreundliches Bauen und Wohnen, die auch die energetische Quartiers- und Stadtentwicklung berücksichtigt und die Bezahlbarkeit von Wohnraum im Blick behält. Im Bereich Verkehr kommt es ganz entscheidend darauf an, Fahrzeuge gerade auch im Güterverkehr effizienter zu machen, den öffentlichen Verkehr und den Schienenverkehr zu stärken und den Anteil der Elektromobile in Deutschland zu erhöhen. Geplant ist zum Beispiel eine besondere Förderung für Dienst- und Geschäftswagen mit Elektroantrieb. Das hätte den Vorteil, dass wir nach etwa einem Jahr einen Gebrauchtmarkt an hochwertigen Elektroautos hätten und nach wenigen Jahren der Anteil am Gesamtverkehr wesentlich erhöht würde. An dem Ziel, dass bis 2020 in Deutschland eine Million Elektroautos fahren sollen, halten wir trotz aller Schwierigkeiten fest. Wichtig ist auch die Reform der Düngeverordnung. Dafür ist es höchste Zeit, weil wir mit der Umsetzung der europäischen Vorgaben säumig sind.

FAZ: Aber eine Erhöhung von Öko-Steuern ist nicht beabsichtigt?

Hendricks: Nein, Steuererhöhungen irgendwelcher Art sind in der Koalition nicht vereinbart und deshalb auch nicht durchsetzbar. Wir können aber andere sinnvolle Dinge tun, etwa die massive Förderung des Radverkehrs und der Fahrradinfrastruktur. In Nordrhein-Westfalen wird zum Beispiel ein Hochgeschwindigkeitsradweg zwischen Duisburg und Hamm gebaut, zweispurig und kreuzungsfrei. Nun fahren die Leute zwar nicht jeden Tag hundert Kilometer mit dem Fahrrad zur Arbeit, aber mit Elektrobikes kann man ohne Probleme 12 oder 15 Kilometer fahren, für die man sonst das Auto nimmt.

FAZ: Also kann man sagen: Die eigentliche Elektromobilität in Deutschland kommt übers Fahrrad?

Hendricks: Das hat ja schon längst begonnen! Aber es entlastet noch nicht genug, weil es meist nur das durch Muskelkraft betriebene Fahrrad ersetzt.

Die Fragen stellten Jasper von Altenbockum und Heike Göbel für die Frankfurter Allgemeine Zeitung.