Im Wortlaut: Gabriel
"Deutschland wird von TTIP profitieren"
TTIP G7
Quelle: Bundesregierung/Eriksson
Schekker: In Deutschland hängt fast jeder vierte Arbeitsplatz vom Export ab. Ist das Fluch oder Segen für die Arbeitnehmer?
Sigmar Gabriel: Es ist natürlich sehr gut, dass Produkte "Made in Germany" auf der ganzen Welt so beliebt sind. Auch für die Arbeitnehmer ist das gut, denn der Export leistet einen ganz wichtigen Beitrag zu Beschäftigung und Wohlstand in Deutschland. Wir leben zu einem guten Teil vom Export: Viele Menschen in Deutschland arbeiten in der Exportbranche, die Produkte sind hochwertig, die Bezahlung überdurchschnittlich. Klar ist aber auch, dass wir für ein ausgeglichenes Wachstum auch eine starke inländische Nachfrage brauchen. Es ist wichtig, hier eine gesunde Mischung aus Exportstärke und Inlandsnachfrage zu erreichen. Wir sind hier auf einem guten Weg. Da die Löhne steigen und die Arbeitslosigkeit sinkt, haben wir einen robusten inländischen Konsum. Das alles trägt zum Wirtschaftswachstum und damit wiederum zu mehr Beschäftigung in Deutschland bei.
Schekker: Der schwache Euro-Kurs verbilligt Deutschlands Ausfuhren ins Ausland. Wie würde Deutschland heute ohne den Euro dastehen?
Gabriel: Schlechter. Denn der größte Teil der deutschen Exporte geht in den Euroraum, insbesondere in unsere Nachbarländer Frankreich, Niederlande, Österreich und Belgien sowie nach Italien. Da im Handel zwischen diesen Ländern der Euro die Währung von Käufer und Verkäufer ist, gibt es hier keine Wechselkursschwankungen mehr. Das ist natürlich gut. Ohne den Euro würden deutsche Unternehmen vermutlich weniger an diese Länder verkaufen. Unsere Märkte und der Handel untereinander wären weniger eng verflochten als sie es heute sind.
Noch ein Wort zum zuletzt gesunkenen Eurokurs. Dadurch werden natürlich deutsche Produkte auch für Handelspartner außerhalb der Eurozone günstiger, und sie können sich mehr davon leisten. Daher kaufen sie mehr Waren aus Deutschland. Letztlich sollte dieser Effekt aber nicht überschätzt werden, denn deutsche Produkte werden vor allem wegen ihrer hohen Qualität gekauft. Der Preis ist da nicht ganz so wichtig. Ökonomen bezeichnen dies als eine geringe Preissensibilität. Deshalb kann Deutschland auch bei einem höheren Eurokurs einen hohen Exportanteil halten.
Schekker: Die USA sind nach den EU-Staaten das wichtigste Bestimmungsland für deutsche Exporteure. Bei den Importen nach Deutschland liegen die USA mit rund 49 Milliarden Euro auf Rang 4. TTIP soll nun Handelshemmnisse abbauen. Wer würde denn mehr von TTIP profitieren? Deutschland oder die USA?
Gabriel; Beide Seiten profitieren. Denn die USA sind der größte Absatzmarkt der EU, umgekehrt sind die EU-Länder der wichtigste Handelspartner der USA. Und TTIP wird die Kosten für den Handel zwischen diesen Märkten senken. Sowohl für amerikanische als auch für europäische Unternehmen wird es einfacher werden, der jeweils anderen Seite ihre Produkte anzubieten. Und mehr Handel wirkt sich positiv auf Umsätze und Arbeitsplätze aus.
In Deutschland werden vor allem kleine und mittlere Unternehmen von TTIP profitieren, da sie von Zöllen und anderen Handelseinschränkungen besonders betroffen sind. Bisher ist es für viele kleine und mittlere Unternehmen einfach zu kostspielig, in die USA zu exportieren. Das wollen wir mit TTIP ändern.
Schekker: Sie äußerten Ihr Verständnis für die verbreitete Skepsis gegenüber TTIP. Wie kann und sollte Politik auf die Vorbehalte reagieren?
Gabriel: Wichtig ist, dass wir miteinander reden und auf die Bedenken der Menschen eingehen. Vorurteile und Skepsis gegenüber TTIP können wir als Politiker nur abbauen, indem wir die Öffentlichkeit umfassend informieren und die Bedenken in unseren Entscheidungen berücksichtigen.
Es ist hier auch schon viel passiert. Die Bundesregierung versucht alle relevanten Stimmen einzubeziehen, nicht nur Wirtschaftsverbände, sondern auch Gewerkschaften und Vertreter der Kultur. Das Bundeswirtschaftsministerium hat extra einen TTIP-Beirat eingerichtet und mehrere Dialogveranstaltungen zu TTIP durchgeführt. Wir informieren regelmäßig Nichtregierungsorganisationen, Verbände und Medien über den Verhandlungsstand von TTIP. Alle erhalten Gelegenheit, umfassend Stellung zu nehmen. Das, was wir an Rückmeldungen erhalten, damit setzen wir uns auch sorgfältig und gewissenhaft auseinander.
Schekker: Am 7. und 8. Juni findet der G7-Gipfel in Schloss Elmau statt. Dabei soll auch über den grenzüberschreitenden Handel mit Schwellen- und Entwicklungsländern diskutiert werden. Schwellen- und Entwicklungsländer selbst nehmen aber nicht am Gipfel teil. Sollte man sie nicht von vornherein in die Debatten mit einbeziehen?
Gabriel: Das tun wir. Natürlich besteht die Gruppe der G7 als solche aus den sieben führenden Industrienationen USA, Großbritannien, Frankreich, Italien, Japan, Kanada und Deutschland. Außerdem ist die Europäische Union bei allen G7-Treffen dabei. Zu bestimmten Themen werden aber auch Gäste zu einem sogenannten erweiterten Dialog eingeladen. Das hat auch eine lange Tradition, andere Staaten und internationale Organisationen zum Austausch zu bestimmten Themen einzuladen. Die G7 wollen insbesondere die afrikanischen Staaten in ihren Reformbestrebungen unterstützen und so zu mehr Frieden und Sicherheit, Wachstum sowie nachhaltiger Entwicklung in Afrika beitragen. Daher wurden vor allem Staats- und Regierungschefs aus afrikanischen Staaten zum 2. Gipfeltag in Elmau eingeladen. Gemeinsam mit ihnen will die G7 einen umfassenden Dialog zu Afrika und weltpolitischen Themen führen.
Es sollte auch nicht vergessen werden, dass es natürlich auch andere Foren der Zusammenarbeit mit Schwellen- und Entwicklungsländern zu Fragen der Wirtschafts- und Handelspolitik gibt. Gerade der Gruppe der 20 (G20) gehören etwa mit Brasilien, Indien, China und Südafrika mehrere Schwellenländer an. Auch in der Welthandelsorganisation WTO sind alle Schwellen- und die meisten Entwicklungsländer vertreten und gleichberechtigt an den Beschlüssen beteiligt.
Schekker: Ist mit dem Ausschluss Russlands aus der G8 nicht eine wichtige Plattform für Verhandlungen mit diesem Land, auch in wirtschaftlicher Hinsicht, verloren gegangen?
Gabriel: Sicherlich ist damit eine Plattform für den Austausch mit Russland nicht mehr da, der Grund dafür liegt aber im Vorgehen Russlands. Russland hat durch die völkerrechtswidrige Annexion der Krim die Souveränität und territoriale Unversehrtheit der Ukraine verletzt. Die G7 versteht sich aber als Wertegemeinschaft für Frieden, Sicherheit und ein selbstbestimmtes Leben der Menschen. Freiheit und Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sind zentrale Grundsätze der G7. Seit März 2014 treffen sich die G7 deshalb ohne Russland. Die weitere Destabilisierung der Ostukraine durch Russland nach der Annexion der Krim hat diese Entscheidung der G7 noch bestätigt. Das Format der G8, also mit Russland, ist deswegen ausgesetzt. Trotzdem hat die Bundesregierung immer wieder auch klar gemacht, dass wir zum einen im Dialog mit Russland bleiben und zum anderen auch eine langfristige Perspektive für die Zusammenarbeit mit Russland entwickeln müssen. Deswegen haben wir uns zum Beispiel grundsätzlich offen für die Vorstellung gezeigt, langfristig unsere Handelsbeziehungen zu verstärken, etwa durch eine Freihandelszone zwischen der EU und Russland. Das sind jedoch Überlegungen für die Zukunft. Ganz klar ist, dass hierfür zunächst die Ukraine-Krise gelöst werden muss.