Mitschrift Pressekonferenz
Im Wortlaut
Pressekonferenz von Bundeskanzlerin Merkel und dem britischen Premierminister Cameron
in London
(Die Ausschrift des fremdsprachlichen Teils erfolgte anhand der Simultanübersetzung.)
PM Cameron: (Aufgrund technischer Probleme fehlen die ersten 90 Sekunden.)
Ich freue mich sehr, die Kanzlerin zu begrüßen. Liebe Angela, wieder herzlich willkommen in Downing Street!
Uns hat der Besuch im British Museum sehr gefallen. Es ist das älteste öffentliche Museum auf der Welt. Es gab eine fantastische Ausstellung zur deutschen Geschichte mit dem Kurator Neil MacGregor. Es hat sehr viel Spaß gemacht, diese Besichtigung des Museums vorzunehmen. Diese Ausstellung ist Zeugnis für die Zusammenarbeit zwischen unseren Nationen. Diese Zusammenarbeit wird stärker -ganz besonders, wenn die Königin im Juni ihren fünften Staatsbesuch in Deutschland absolvieren wird. Unsere Exporte nach Deutschland sind um 20 Prozent auf 3 Milliarden Pfund gestiegen, und die Exporte, die wir an Drittstaaten durchführen, sind damit übertroffen worden. Wir sehen uns als starke Partner.
Wir haben uns heute vor dem Hintergrund einer mangelnden Stabilität der weltweiten Wirtschaft getroffen. Als die Führenden der starken Industrienationen wollen wir sehen, dass wir Schritte unternehmen, um die Schulden abzubezahlen und um weitere Investitionen zu tätigen. Es ist wichtig, dass wir unseren langfristigen wirtschaftlichen Plan einhalten und die Gelegenheit ergreifen, das Wachstum auszubauen, das meiste aus dem Binnenmarkt herauszuholen und die Schranken für den Handel abzubauen. Wir sind beide starke Befürworter des Handelsabkommens in diesem Jahr. Wir haben das beim G8-Gipfel auf den Weg gebracht, und wir werden hoffentlich bis zur G7-Sitzung in Bayern im Juni Fortschritte machen.
Was die Prioritäten angeht: Deutschland hat den Vorsitz inne. Wir haben heute Nachmittag darüber gesprochen. Wir begrüßen diese Prioritäten. Wir bauen auf den Dingen auf, die wir bereits aufgelegt haben. Wir wollen gegen Steuerhinterziehung und Steuervermeidung vorgehen. Wir wollen zusehen, dass es größere Transparenz gibt. Es ist unbedingt wichtig, dass die Unternehmen die Steuern zahlen, die sie zahlen sollen. Wir werden weiter daran arbeiten.
Wir haben auch darüber gesprochen, wie wir die Lehren aus der Ebola-Krise ziehen können, um eine schnellere Reaktion auf weltweite Krisen dieser Art zu gewährleisten. Dabei geht es auch um die Art, auf die wir gegen arzneimittelresistente Infektionen vorgehen können. Das wird auch beim G7-Gipfel besprochen werden. Wir werden dabei weiter zusammenarbeiten.
Ich bin sicher: Wir werden heute Abend auch noch einmal über Russland und die Ukraine sprechen. Das wird der zweite G7-Gipfel ohne Russland sein. Wir wollen alle eine Lösung für diese Krise finden. Es ist fast ein Jahr her, dass Präsident Putin in die Ukraine einmarschiert ist, und man spürt jetzt die Kosten. Der Wert des Rubels ist seit Weihnachten um mehr als 20 Prozent gefallen, und wir werden sicherlich darüber sprechen, wie wir weiterhin Druck machen können. Gleichzeitig werden wir anerkennen, dass es die Möglichkeit gibt, eine Lösung zu finden. Es gibt einen Weg nach vorne, und es gibt weiterhin die Möglichkeit für Präsident Putin, einzulenken, auch nächste Woche bei der Sitzung mit Präsident Poroschenko. Wir werden die Ukraine weiterhin unterstützen, und wir werden finanzielle Unterstützung leisten, um auf den dringenden Bedarf der Ukraine abzustellen. Dazu muss es zu Reformen in Kiew kommen, und wir werden heute Abend darüber sprechen.
Wir werden auch über die EU-Reform und darüber reden, was wir in der Europäischen Union sehen wollen und sehen müssen. Wir haben das in der Vergangenheit mehrfach besprochen, und ich begrüße die Bereitschaft der Kanzlerin, mit uns zusammenzuarbeiten und Lösungen zu finden. Ich glaube, wir haben in den letzten fünf Jahren gezeigt, was wir gemeinsam erreichen können, was das Budget angeht und wenn es darum geht, Europa konkurrenzfähiger zu machen. Ich glaube fest daran, dass die EU unbedingt Reformen braucht, damit man sich an eine sich verändernde Welt anpassen kann und damit wir Arbeitsplätze schaffen können, die unsere Menschen brauchen.
Wir wollen die Beziehung zur EU verbessern; denn das britische Volk findet das sehr frustrierend. Ich bin davon überzeugt, dass das getan werden kann, und die Kanzlerin hat es ja gesagt: Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. Das ist auch meine Einstellung. Es geht darum, zu sichern, was im besten, langfristigen Interesse von Großbritannien und auch von Europa ist. Dann werden wir dem britischen Volk natürlich im Rahmen einer Volksabstimmung das letzte Wort geben.
Angela, es ist sehr schön, Sie wieder hier in No. 10 Downing Street zu haben, leider an einem so tragischen Tag für Frankreich. Es ist sehr gut, mit Ihnen in all diesen Dingen zusammenzuarbeiten, und wir begrüßen Sie sehr herzlich hier in London.
BK’in Merkel: Danke schön! Ich freue mich, dass ich vom Premierminister, von David Cameron, wieder so herzlich empfangen werde. Dass wir dies auch an so einem tragischen Tag tun können, zeigt, dass wir gemeinsame Werte und ein gemeinsames Fundament haben. Ich glaube, es war ein sehr bewegender Moment, heute gemeinsam mit dem französischen Präsidenten, mit François Hollande, zu sprechen und ihm unsererseits zu versichern, dass wir alles tun werden, um Frankreich zu helfen. Vor allen Dingen sagen wir aber auch den Menschen in Frankreich, dass wir in dieser schweren Stunde zu ihnen stehen und dass wir denen, die sich der freien Presseberichterstattung verpflichtet fühlen, sagen, dass wir um die Pressefreiheit genauso wie um andere Grundfreiheiten, die uns in unseren Ländern wichtig sind, kämpfen werden.
Wir hatten heute vor unseren politischen Gesprächen die Möglichkeit, die Ausstellung über Deutschland und deutsche Geschichte zu besuchen. Ich habe mich sehr gefreut, dass David Cameron mitgekommen ist. Ich glaube, das ist in zweierlei Hinsicht bedeutend, nämlich auf der einen Seite, weil diese Ausstellung auch zeigt, wie viel Befruchtendes und Verbindendes es auch in vergangenen Jahrhunderten zwischen den europäischen Ländern gab, worauf unsere Geschichte aufbaut, auf der anderen Seite aber auch, weil diese Ausstellung im British Museum stattfindet, wirklich einem der ältesten und wichtigsten Museen, das uns auch über die Globalisierung Auskunft gibt. Diese Ausstellung macht es auch für uns Deutsche möglich, noch einmal aus einem anderen Blickwinkel auf deutsche Geschichte zu schauen. Ich finde das sehr bereichernd und glaube, dass Direktor Neil MacGregor das in einer großartigen Weise gemacht hat.
Ich freue mich natürlich, dass auch so viele britische Besucher diese Ausstellung besucht haben. Die Erwartungen des Museums wurden übertroffen, und das ist auch ein gutes Zeichen für die Partnerschaft – nicht nur zwischen uns als Politikern, sondern eben auch zwischen unseren Völkern.
Wir hatten einen Empfang mit der Wirtschaft, mit vielen Unternehmen, die entweder als britische Unternehmen in Deutschland oder als deutsche Unternehmen in Großbritannien engagiert sind. Das hat noch einmal das gezeigt, was wir nie vergessen sollten: Wir haben viel Handel mit China, wir bauen Handel mit Indien, asiatischen Ländern und mit Lateinamerika auf, aber der Grundstock unserer Handelsbeziehungen liegt natürlich immer noch im Austausch zwischen unseren europäischen Ländern. Dass der deutsch-britische Handel gewachsen ist, zeigt auch, dass sich die britische Wirtschaft in einem guten Fahrwasser befindet. Die Wachstumsraten sind beeindruckend. Deutschland ist auch ganz zufrieden, aber Großbritannien kann sehr zufrieden sein. Hier hat sich - das ist auch unsere deutsche Erfahrung - eben gezeigt: Mit dem Wachstum kommen auch Jobs, neue Arbeitsplätze. Ich meine, das ist ja das, was für die Menschen in unseren Ländern zählt, und darauf wollen wir aufbauen.
Das ist auch die Agenda, mit der wir unsere europäische Arbeit vorantreiben. Ich glaube, es gibt gute Ansätze dafür - auch mit der neuen Kommission -, dass das Thema Bürokratieabbau wieder eine Rolle spielen wird. Wir unterstützen alle Anstrengungen, das Freihandelsabkommen mit den USA voranzubringen - wir wollen auch CETA, das Abkommen mit Kanada, ratifizieren - und auch einen ambitionierten Zeitplan anzunehmen, nämlich bis Ende 2015. Es war auf dem G7-Gipfel in Großbritannien, als wir mit dem amerikanischen Präsidenten den Startschuss dafür gegeben haben, und wir wollen das innerhalb unserer G7-Präsidentschaft jetzt natürlich auch weiter vorantreiben.
Ich habe hier - im Übrigen auf meiner ersten Reise (unter deutscher G7-Präsidentschaft) in ein G7-Land - noch einmal die Agenda für G7 deutlich gemacht, die wir uns vorgenommen haben. Es herrscht hohe Übereinstimmung hinsichtlich der Themen. Zum Teil bauen wir auf dem auf, was die Präsidentschaften vor uns - unter anderem auch die von David Cameron - in Gang gesetzt haben. Das Thema Gesundheit spielt eine Rolle, sowohl die Antibiotikaresistenzen als aber angesichts der schrecklichen Ebola-Katastrophe auch die Frage, was wir aus dieser Katastrophe lernen, bei der ja jetzt langsam vieles klappt, aber hinsichtlich der man nicht sagen kann, dass die Weltgemeinschaft schon in ausreichendem Maße auf solch eine Katastrophe vorbereitet ist. Ich glaube, wir müssen zusammen mit den internationalen Organisationen - zum Beispiel mit der Weltbank - wirklich an der Frage arbeiten, was man vorhalten muss, wenn sich andere Katastrophen so wiederholen; denn wir sind auf dieser Welt natürlich sehr eng miteinander verbunden.
Wir werden uns des Themas Meeresschutz annehmen. Wir werden uns mit dem Thema der Selbständigkeit von Frauen beschäftigen. Hier hat die britische Präsidentschaft ebenfalls sehr interessante Schwerpunkte gesetzt, über die wir uns austauschen können. Wir werden natürlich dafür arbeiten, dass das Klimaschutzabkommen dann möglichst in Paris verabschiedet werden kann. Wir haben uns auch über die Fortentwicklung der Millenniumentwicklungsziele unterhalten, die auf der UN-Vollversammlung verabschiedet werden sollen und hinsichtlich der es sehr hilfreich wäre, wenn die G7-Länder dann in Deutschland sagen könnten, wie wir gemeinsam eine Position bei der UN-Vollversammlung einbringen wollen. Wir haben natürlich über all die anderen Themen entweder schon gesprochen oder werden es noch beim Abendessen tun.
Ich glaube, es gibt eine sehr gemeinsame Haltung von Großbritannien und Deutschland - im Übrigen auch eine zum Schluss immer wieder einheitliche Haltung innerhalb der Europäischen Union - zu dem Thema „Ukraine und Russland“. Wir können noch nicht mit der Umsetzung des Minsker Abkommens zufrieden sein und werden darüber sprechen, wie wir gemeinsam dafür sorgen können, dass das besser wird.
Ich glaube, dass wir intensive, freundschaftliche Gespräche hatten. Was die zukünftige Arbeit innerhalb der Europäischen Union anbelangt, schließe ich mich dem an, was ich schon einmal gesagt habe: Wo ein Wille ist, ist ein Weg, auch gemeinsame Lösungen zu finden. Wir haben gerade hier in Downing Street auch schon Themen besprochen - damals ging es um das Budget -, bei denen nicht klar war, ob wir eine Lösung finden würden, aber als Deutschland und Großbritannien zusammengehalten haben, ist eine solche Lösung möglich geworden. In diesem Geiste sprechen wir auch über alles, was auf uns zukommt. Noch einmal herzlichen Dank, dass ich hier sein darf!
Frage: Premierminister, die Ereignisse in Paris sind verheerend. Es scheint eine andere Art des Angriffs gewesen zu sein, was eine andere Art der Reaktion erfordert. Haben Sie und Kanzlerin Merkel darüber gesprochen?
Können Sie sich vorstellen, dass Vertragsänderungen im Hinblick auf die Freizügigkeit oder die Sozialleistungen für europäische Bürger vorgenommen werden?
PM Cameron: Zunächst einmal, was die erschreckenden Ereignisse in Paris angeht: Sie waren anders als einige der Anschläge von heimischen Terroristen, die wir hier in Großbritannien erlebt haben. Wir haben ein Briefing durch die Geheimdienste MI5 und MI6 erhalten, um die jüngsten Informationen zu bekommen.
Was nun die Reaktion angeht: Wir werden uns natürlich alles anschauen, was gemacht werden muss. Morgen wird eine COBRA-Sitzung unter Vorsitz der Innenministerin stattfinden. Wir haben uns bereits im August unterhalten und gesagt, dass ein Angriff sehr wahrscheinlich ist. Damals wurde die Sicherheitsstufe schon hochgestuft. Das wird nicht von Politikern ausgegeben, sondern von unabhängigen Organisationen. Wir sind bei einer hohen Sicherheitsstufe. Die Geheimdienste werden sich genau anschauen, was passiert, um zu sehen, ob etwas Weiteres gemacht werden muss und ob weitere Ratschläge herausgegeben werden können, aber wir haben bereits eine sehr hohe Sicherheitsstufe. Unsere Sicherheitsdienste leisten ausgezeichnete Arbeit - sie arbeiten rund um die Uhr -, ebenfalls unsere Polizeikräfte hier in London und anderenorts.
Es gibt nun nicht die eine Antwort auf diese verheerenden Angriffe. Wir müssen natürlich alle wachsam sein. Wir müssen versuchen, alle Probleme anzugehen und gegen die Radikalisierung vorzugehen, die in unseren Ländern stattfindet. Wir müssen in unsere Sicherheits- und Geheimdienste investieren. Wir müssen mit dem Problem an der Quelle umgehen.
Wenn wir all das tun, dann müssen wir uns über eines im Klaren sein: Wir dürfen nie die Werte aufgeben, an die wir glauben und an denen wir im Rahmen unserer Demokratie festhalten. Wir glauben an eine freie Presse, an Meinungs- und Ausdrucksfreiheit und daran, dass die Menschen sagen können, was sie glauben. Das sind die Dinge, die wir verteidigen, und das ist auch an diesem heutigen Tage ganz klar. Diese Werte sind nicht eine Quelle der Schwäche, sondern eine Quelle der Stärke.
Die Kanzlerin und ich waren im Britischen Museum und haben uns diese hervorragende Ausstellung angeschaut. Wir haben uns auch angeschaut, wie sich Großbritannien und Deutschland in zukünftigen Jahren Erfolg verschaffen können. Mein Argument wäre: Es gibt natürlich alles Mögliche, das wir in puncto Wirtschaft tun können. Aber die Länder, die in Zukunft Erfolg haben werden, werden die Länder sein, die an den Werten der Freiheit, der Demokratie und der Rechtsordnung festhalten. Das führt dazu, dass unsere politischen Systeme und unsere Gesellschaften stärker sind und gut sind. Das dürfen wir nicht aufgeben. Dies als Antwort auf Ihre Frage.
Sie hatten noch eine ganz konkrete Frage, aber ich möchte noch einmal ganz klar sagen: Ich unterstütze Freizügigkeit, aber nicht den Missbrauch. Das hatten wir ja auch im Voraus schon gesagt.
BK’in Merkel: Was die Sicherheitsfrage anbelangt, möchte ich nur hinzufügen, dass es an einem solchen Tag wie heute noch einmal wichtig ist, uns zu sagen: Es ist wichtig, dass unsere Dienste auch zusammenarbeiten. Als ich hier das Briefing durch die Sicherheitsdienste Großbritanniens mithören konnte, war es für mich auch gut zu hören, dass man in solchen Situationen eben eng zusammenarbeitet. Einer alleine kann diese Gefahren überhaupt nicht bewerkstelligen, und das ist dann eben auch gelebte Freundschaft.
Was die Frage der Freizügigkeit anbelangt, so hat David Cameron eben gesagt, und ich will das noch einmal betonen: Wir haben keine Zweifel daran, dass das Prinzip der Freizügigkeit nicht infrage gestellt werden sollte. Das gilt. Aber wir müssen uns auch mit dem Missbrauch beschäftigen. Wir haben hierbei sehr eng zusammengearbeitet. Wir verfolgen die Rechtsprechung sehr aufmerksam. Wir wollen denen, die in Kommunen und vor Ort betroffen sind, eben auch zeigen: Missbrauch muss bekämpft werden, damit Freizügigkeit als Prinzip auch durchgesetzt werden kann. Das kann eben auch das Thema betreffen, wie weit die Sozialsysteme der einzelnen Mitgliedstaaten, die ja nicht dem Gemeinschaftsrecht unterworfen sind, ihre Akzente eben auch so setzen können, wie das notwendig ist. Darüber werden wir, wo notwendig, in Zukunft noch reden.
Frage: Frau Bundeskanzlerin, die Liste der Forderungen der britischen Regierung in Sachen EU-Reform ist sehr, sehr lang. Gibt es zumindest einen konkreten Punkt, über den Sie schon eine Übereinkunft gefunden haben? Die britische Regierung hofft ja auf Ihre Unterstützung, etwa wenn es um die Reform der Sozialleistungen für Kinder von EU-Einwanderern geht, die in ihrer Heimat zurückgeblieben sind. Ist das etwas, zu dem Sie sagen „Dem stimmen wir zu, das unterstützen wir, da gibt es eine Gemeinsamkeit“?
BK’in Merkel: Ich glaube, wir sind gemeinsam der Meinung, dass die jüngste Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs in der Frage des Missbrauchs recht hilfreich war. Sie gibt noch nicht auf alle Fragen Antwort.
Ansonsten beschäftigen wir uns, glaube ich, mit solchen Paketen im Zusammenhang. Alles hängt mit allem zusammen. Man kann nicht eine Sache herauspicken und sagen „Da haben wir eine Lösung“, und bei 27 anderen hat man keine. Wir werden darüber zum gegebenen Zeitpunkt sprechen. Wichtig für uns war, dass wir die Gemeinsamkeit haben, dass das Prinzip der Freizügigkeit nicht infrage gestellt wird.
Wir werden auch mit anderen Mitgliedstaaten sprechen. Deutschland und Großbritannien machen das nicht alleine. Ich glaube, dass es in allen Mitgliedstaaten eine Notwendigkeit gibt, über solche Themen zu reden.
Frage: Premierminister, die Schweizer sind nicht in der EU und auch nicht im europäischen Wirtschaftsraum, aber auch sie müssen die Freizügigkeit akzeptieren. Die Europäische Union hat ganz klar gesagt, dass dies nicht zur Verhandlung stehe. Glauben Sie, dass es unvermeidlich ist, dass man, wenn Großbritannien die EU verlässt, für Geschäfte mit Europa dennoch die Freizügigkeit akzeptieren muss? Wenn man jetzt die EU und den europäischen Wirtschaftsraum verließe, müsste man die Freizügigkeit als Preis für einen freien Handel mit der EU akzeptieren? Würde man darauf bestehen?
PM Cameron: Ich glaube nicht, dass die richtige Antwort wäre, dass Großbritannien die EU verlässt. Ich glaube, die richtige Antwort ist, dass es EU-Reformen und dann eine Volksabstimmung gibt. Ich habe es ganz klar gesagt: Die Veränderungen, was Immigration, Zuwanderung und Sozialleistungen angeht, müssen stattfinden. Ich glaube nicht, dass sie das Prinzip brechen, dass es Freizügigkeit geben soll, denn viele Briten genießen ja auch Freizügigkeit in anderen Ländern. Wir haben ganz klar gesagt: Man sollte kein Recht auf Arbeitslosengeld haben, wenn man hier innerhalb von sechs Monaten keine Arbeitsstelle findet. Dann muss man in sein Heimatland zurückkehren. Wenn man nicht vier Jahre lang in das System einbezahlt hat, dann kann man nichts vom System erwarten. Wenn Familie und Kinder in einem anderen europäischen Land zu Hause sind, dann sollte man nicht hier in Großbritannien Kindergeld oder Sozialleistungen für Kinder erhalten. Dazu brauchen wir Veränderungen in Europa.
Aber ich glaube, es ergibt Sinn, es ist praktisch und es macht mir auch Spaß, mit europäischen Kollegen über diese Dinge zu sprechen. Ich glaube, das ist die Art und Weise, auf die wir gegen den Missbrauch von Freizügigkeit innerhalb der Europäischen Union angehen können. Das ist das Ergebnis, auf das ich hinarbeite. Ich habe immer gesagt: Wenn es nicht möglich ist, das zu erreichen, kann ich nichts ausschließen. Aber ich möchte eine Reform innerhalb der EU und dann eine Volksabstimmung, in der Großbritannien dann entscheidet, in der EU zu verbleiben. Wir haben gesagt, was dafür erforderlich ist. Die Leute, die hier Argumente ins Feld führen und sagen, es sei Zeit, die EU zu verlassen, müssen dann Ihre dahingehenden Fragen, was das bedeutet, beantworten. Die Antworten, die sie im Hinblick auf das, was Sie zur Schweiz gesagt haben, geben, sind häufig sehr widersprüchlich. Das könnte man auch über Norwegen sagen. Aber sie müssen diese Argumente ins Feld führen, nicht ich. Ich sage: Wir verbleiben in der EU, führen neue Verhandlungen durch, machen eine Volksabstimmung und das britische Volk trifft dann die Entscheidung. Das ist mein Argument.
BK’in Merkel: Natürlich werden die britischen Bürgerinnen und Bürger entscheiden. Ich will trotzdem nicht damit hinterm Berg halten, dass ich gerne auch in Zukunft mit Großbritannien in einer starken und erfolgreichen Europäischen Union zusammenarbeiten möchte.
Spekulative Fragen nach dem Motto „Was wäre, wenn?“, beantworte ich nie und deshalb auch in diesem Falle nicht.
Frage: Frau Bundeskanzlerin, ich habe nach einem Bericht vom Wochenende über Griechenland eine Frage zur Eurozone, weil die Märkte inzwischen ziemlich beunruhigt reagiert haben. Meinen Sie, dass die Eurozone ein Ausscheiden Griechenlands aus der Währungsunion verkraften kann?
BK’in Merkel: Ich glaube, man muss den Menschen und auch den Teilnehmern der Märkte sagen, dass ich als deutsche Bundeskanzlerin und die deutsche Bundesregierung das Handeln immer darauf ausgerichtet haben, dass Griechenland in der Eurozone bleibt, und dass die Verpflichtungen, die wir zwischen Griechenland und der Troika beziehungsweise zwischen Griechenland und den Mitgliedstaaten der Europäischen Union ausgemacht haben, bis jetzt auch eingehalten wurden. Griechenland hat viele Opfer gebracht. Für viele Menschen sind und waren es sehr, sehr schwere Jahre. Wir haben eine riesige Strecke des Wegs zurückgelegt, und ich habe überhaupt keinen Zweifel, dass wir auch den Rest dieser Strecke gemeinsam zurücklegen werden – immer auf der Basis, die die ganze Jahre über gegolten hat, nämlich auf der einen Seite Eigenanstrengung und auf der anderen Seite Solidarität. Solidarität und Eigenanstrengung gehören zusammen. Das ist mit Griechenland erfolgreich gelaufen, und das wird und soll auch so weitergehen.
PM Cameron: Vielen herzlichen Dank! Diese Politik, keine spekulativen Fragen zu beantworten, wird die Pressekonferenzen in Zukunft durchaus verkürzen. Das ist eine weitere gute Tradition aus Deutschland, die wir gerne einführen können.
Mittwoch, 07. Januar 2015